Videoüberwachung und die Zulässigkeit von Kamera-Attrappen
Videoüberwachung ist aus Sicht des Datenschutzes immer kritisch zu betrachten. Um diese durchführen zu dürfen, bedarf es immer einer Rechtsgrundlage. Außerdem sind die Maßnahmen hinsichtlich Auskunftspflicht und Dokumentationspflicht aus Sicht des Verantwortlichen relevant.
Nun gab es wieder ein richtungsweisendes Urteil für die Auslegung und Anwendung des Datenschutzes bei Videoüberwachung.
Entschieden hat hier das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz (mit Urteil vom 25.06.2021 | Az. 10 A 10302/21.OVG), dass ein Abbau einer abgeschalteten Überwachungskamera nicht aufgrund der DSGVO von der Aufsichtsbehörde angeordnet werden darf.
Der Reihe nach:
Wann ist eine Videoüberwachung zulässig?
In den meisten Fällen wird bei der Installation einer Videoüberwachung die Wahrung berechtigter Interessen angegeben. Also Schutz vor Eigentum, Einbruch, Vandalismus, etc.
Diese Zulässigkeit richtet sich in den meisten Fällen nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO.
Weiterhin muss dabei das Kriterium der Erforderlichkeit gegeben sein.
Erforderlichkeit, Interessensabwägung
Erforderlichkeit meint hier, dass es kein anderes/milderes Mittel gibt, das den Zweck mit dem gleichen Ergebnis erreicht.
Eine Interessenabwägung wird durchgeführt, um insbesondere die Interessen evtl. Dritter zu prüfen.
Erwägungsgrund 47 DSGVO bezieht sich auf die Interessensabwägung. Es kommt bei einer Videoüberwachung immer darauf an, was die betroffene Person subjektiv erwarten kann. Also ob diese im konkreten Fall mit einer Videoüberwachung rechnen kann. Es kommt jedoch auch darauf an, was evtl. ein objektiver Dritter erwarten kann. Weiter muss auch den Informationspflichten aus Art. 13 DSGVO nachgekommen werden. Hierzu gehört insbesondere die deutliche Kennzeichnung eines videoüberwachten Gebietes.
Das Gerichtsverfahren
Der Kläger hatte bereits in einer Instanz vorher einen Teilerfolg mit seiner Klage (VG Mainz, Urteil vom 24.09.2020 – 1 K 584/19.MZ).Nun gab auch das OVG Koblenz mit dem Urteil vom 25.06.2021 (Az. 10 A 10302/21.OVG) dem Kläger teilweise recht. Es stellte in seinem Urteil ebenfalls fest, dass eine Abbauverfügung nicht von Art. 58 Abs. 2 DSGVO umfasst sei. Diese Befähigung kann laut dem OVG Koblenz auch nicht aus einer erweiternden Auslegung des Verbotsbegriffes gemäß Art. 58 Abs. 2 lit. f DSGVO entnommen werden.
Wie kam es zu dem Urteil?
Der Kläger ist Eigentümer eines Einkaufszentrums. Er hatte eine große Werbetafel aufgestellt und Kameras installiert, um sein Eigentum zu schützen.
In einem Verfahren ordnete die Aufsichtsbehörde an, die Videoüberwachung zumindest teilweise einzustellen und insbesondere eine abgeschaltete Kamera abzubauen.
Der Eigentümer begründete sein Interesse an der Videoüberwachung damit, dass er die Werbetafel gegen Vandalismus schützen wolle. Die Beauftragung eines Sicherheitsdienstes oder der Abschluss einer Versicherung reichte nach wirtschaftlichen Prüfkriterien nicht aus.
Die Entscheidung des Gerichts | Keine Abbau-Verfügung aus der DSGVO ersichtlich
Das OVG Koblenz stellte in seinem Urteil fest, dass eine Abbauverfügung nicht von Art. 58 Abs. 2 DSGVO umfasst sei. Eine deaktivierte Kamera falle nicht unter den Anwendungsbereich der DSGVO, da keine Verarbeitung von personenbezogenen Daten stattfinden könne. Eine erweitere Auslegung des Verbotsbegriffs von Art. 58 Abs. 2 lit. f DSGVO komme nicht in Betracht.
Weiter hätte auch der nationale Gesetzgeber durch die Öffnungsklausel gemäß Art. 58 Abs. 6 S. 1 DSGVO eine entsprechende Regelung einführen können. Dies habe er bis jetzt nur in Gestalt von § 40 Abs. 3 S. 3 und Abs. 6 S. 2 BDSG getan, hingegen nicht in Bezug auf die Ermächtigung zum Erlass einer Beseitigungsanordnung. Der deutsche Gesetzgeber hätte also den Aufsichtsbehörden das Recht den Abbau von Überwachungsanlagen anzuordnen einräumen können, hat dies jedoch nicht getan.
Aber: Der sog. „Überwachungsdruck“ bleibt
Ein Überwachungsdruck ist bereits gegeben, wenn der Betroffene glaubt, überwacht zu werden oder dies zumindest nicht ausschließen kann und dadurch sich in seiner Freiheit und Unbeschwertheit beeinträchtigt fühlt. Dies wäre bei einer Attrappe anzunehmen.
Die Aufsichtsbehörde begründete die Anordnung bezüglich des Abbaus der Kameras auch damit, dass auch eine deaktivierte Kamera diesen „Überwachungsdruck“ erzeuge. Das OVG Koblenz stellte hierzu fest, dass dies grundsätzlich der Fall sein könne, aber keine Abbauanordnung rechtfertige.
Soweit Videoüberwachung in persönliche Freiheitsrechte eingreifen könnte, sei dies auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.
Folgen für Verantwortliche bei abgeschalteten Überwachungskameras
Es besteht keine Befugnis von Seiten der Aufsichtsbehörden einen Abbau von Überwachungskameras aufgrund von Art. 58 DSGVO anzuordnen.
Verantwortliche sollten sich jedoch bewusst sein, dass auch deaktivierte Kameras bzw. Kamera-Attrappen einen sog. „Überwachungsdruck“ erzeugen und somit in die Rechte von Personen einschneiden können. Hieraus können Abwehr-, Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche folgen und damit zivilrechtliche Rechtsstreitigkeiten.